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Dürfen wir vorstellen? Freethem Deutschland e.V.

Freethem e.V. jugendbewegung gegen Menschenhandel Zwangsprostitution

In unserer Interview-Reihe stellen wir heute die Organisation Freethem Deutschland e.V. vor, die junge Menschen für die Themen Menschenhandel und Prostitution sensibilisiert. Als Teil einer internationalen Jugendbewegung hat Freethem das Anliegen, durch präventive Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit über sexuelle Ausbeutung in Deutschland zu informieren und zu kreativem Engagement zu motivieren. Carina Angelina, die Vorsitzende des Vereins, stand uns Rede und Antwort.

MIF: „Freiheit“ ist ja ein Begriff mit vielen Bedeutungsfacetten. Was bedeutet Freiheit für Dich persönlich und/oder die Organisation Freethem, für die Du arbeitest?

Freethem: Das stimmt, Freiheit ist ein sehr umfangreicher Begriff und kann ganz unterschiedlich von Personen aber auch je nach Thema gedeutet werden. Freiheit bedeutet für mich und uns, dass Menschen Chancen auf Alternativen offenstehen. Menschen, die entführt, gefangen gehalten und ausgebeutet werden, werden ihrer Würde und Freiheit beraubt. Aber auch Notsituationen, Perspektivlosigkeit oder wirtschaftliche Zwänge drängen häufig (meist junge) Frauen in die Prostitution – sie sind besonders gefährdet von Gewalt. Selbst wenn kein Zuhälter oder Menschenhändler hinter einer Frau steht, so gibt es nicht selten andere Zwänge, die den Einstieg begünstigen. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend befinden sich viele Personen in der Prostitution in einer schwierigen sozialen und psychischen Situation. Daher ist es fraglich ist, ob sie sich wirklich frei und autonom für oder gegen diese Tätigkeit entscheiden können (vgl. BMFSFJ 2007: 10). Auch die Fachberatungsstelle „FIM e. V.“ für Frauen in Prostitution betont in einer Stellungnahme, dass der Großteil der sich prostituierenden Frauen sich aufgrund begrenzter Möglichkeiten entschieden haben oder dazu entscheiden mussten sich zu prostituieren. Dabei handelt es nicht einfach um einen ausbeuterischen Arbeitsmarkt, sondern häufig um die Verkettung von strukturellen und individuellen Zwangssituationen, die zur Ausweglosigkeit führen (vgl. Niesner 2014: 4).

Jean-Jacques Rousseau sagte, dass die Freiheit des Menschen nicht darin liegt, dass er tun kann, was er will, sondern, dass er nicht tun muss, was er nicht will. Auch wenn es schwierig ist diese strukturellen und individuellen Zwangssituationen zu durchbrechen, wünschen wir uns, dass diesen Menschen Alternativen aufgezeigt und unterstützt werden sich frei entscheiden zu können.

MIF: Freethem ist ja eine Jugendbewegung. Wieso arbeitet Ihr gerade mit jungen Menschen?

Freethem: Wir glauben, dass gerade Bildungsarbeit über Menschenrechte für, aber auch mit jungen Menschen in Deutschland wichtig ist. Die Jugend ist für viele Menschen eine Zeit der Umbrüche. Junge Menschen hinterfragen häufig die Werte, durch die sie geprägt wurden und entwickeln eine eigene Haltung zu unterschiedlichen Themen. Daher ist es uns umso wichtiger, dass junge Menschen eine verantwortungsvolle Haltung in Bezug auf diese Thematik entwickeln, um selbst verantwortungsbewusst handeln zu können. Denn die Situation des Menschenhandels und von sich prostituierenden Personen ist inakzeptabel. Junge Menschen in Deutschland sind aber auch gefährdet, selbst Opfer der sogenannten Loverboy-Methode (s. Fußnote 1) zu werden. Deswegen klären wir mit Freethem über die Loverboy-Masche auf und wollen junge Menschen für dieses Vorgehen sensibilisieren.

Außerdem hinterfragen wir kritisch das Konsumverhalten unserer Gesellschaft. Denn unser Konsum hat zahlreiche negative Folgen für unsere Mitmenschen. Junge Menschen sollen hier gerade die Zusammenhänge zwischen Angebot und Nachfrage verstehen und dass sie als Konsumentinnen und Konsumenten die Macht haben etwas zu verändern.

Dabei wollen wir Jugendliche und junge Erwachsene nicht nur informieren, sondern sie auch motivieren selbst aktiv zu werden und gegen diese Missstände aufzustehen. So lernen sie nicht nur Verantwortung für ihr eigenes Verhalten zu übernehmen, sondern auch ihr Umfeld und somit gesellschaftliches Denken zu prägen.

Freethem bietet ihnen hierfür als Jugendbewegung eine Plattform, auf der sie ihre Fähigkeiten einbringen können, z. B. in lokalen Freethem-Teams, als Freethem-Friends (Botschafter-/innen), in kreativen Projekten oder anderen Bereichen.

MIF: Gibt es ein Zitat oder einen anderen Gedankenanstoß, der Dich besonders für Dein Engagement motiviert?

Freethem: Ich habe gleich zwei Zitate, die im Grunde genommen aber den gleichen Gedankenanstoß beinhalten:

Wir möchten, dass junge Menschen verstehen, dass ihnen auch bei so einem schlimmen Thema die Hände nicht gebunden sind, sondern dass sie aufstehen und sich engagieren können. Ein einzelner Mensch kann nicht viel verändern und zugleich kann ein einzelner Mensch viel in Bewegung setzen. Denn nur wenn mehrere Menschen sich entscheiden gegen solche Missstände aufzustehen, können sie gemeinsam zu einer Veränderung beitragen – daher ist jede und jeder wichtig! Eine Frau hat den Anstoß für Freethem gegeben, aber nur durch weitere Menschen konnte diese internationale Bewegung gestartet werden. „Wenn nicht ich, wer dann? Wenn nicht jetzt, wann dann?“ – dieses Zitat der Schauspielerin Emma Watson bringt es auf den Punkt.

MIF: Wie kann Deiner Meinung nach jeder von uns im Alltag dazu beitragen, dass es auf der Welt mehr Freiheit für mehr Menschen gibt?

Freethem:

MIF: Vielen Dank für Euer großartiges Engagement und ein großes Dankeschön an Dich, Carina, für dieses informative Interview!

Fußnote: 1. Ein Loverboy ist ein junger Mann, der zu meist jüngeren Mädchen Kontakt aufnimmt. Er spielt ihnen die große Liebe vor, manipuliert und isoliert sie von ihrem sozialen Umfeld und bringt sie in ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis. Dieses nutzt er dann aus, um sie in die Prostitution zu bringen und dort auszubeuten (vgl. BKA 2016: 10).

Quellen: